Die „dunkle Seite“ der Unternehmensnachfolge

Wieso die dunkle Seite?

Man könnte auch sagen, die „wenig beleuchte“ Seite der Unternehmensnachfolge. Denn aus unserer Erfahrung als systemische Organisationsentwicklerinnen liegt ein Schwerpunkt der Betrachtung von Unternehmensübernahmen und Nachfolge immer noch primär auf den betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Thematiken. Das ist sehr wichtig, keine Frage!

 

Dennoch und in erster Linie haben wir es auch mit Menschen, ihren Bedürfnissen und persönlichen Anliegen zu tun. Und gerade in familiären Kontexten „menschelt“ es sehr stark. Das kennen wir aus unseren eigenen Familien… Wenn sich nun auch noch berufliche, unternehmerische Bedürfnisse, Erwartungshaltungen, Notwendigkeiten mit einer Menge innerfamiliärer Emotionen mischen, dann wird es richtig spannend – und nicht selten hochexplosiv!

 

Für uns als Unternehmensentwicklerinnen ist diese „psychologische“, emotionale Seite der Nachfolge äußerst interessant. Und für Sie als Begleitende und Betroffene manchmal sehr schwer und – wenn es gut gemacht ist – kann es auch sehr schön und wertvoll sein. Eins ist es ganz sicher: wichtig. 

 

 

Der Mehrwert der Nachfolge-Psychologie 

Aus der Begleitung von vielen Nachfolgeprozessen sind uns folgende Fragen bekannt, die sich Nachfolgende in Familie stellen:

 

  • Bin ich der/die Richtige?
  • Will ich das wirklich? Oder werde ich in erster Linie der Erwartung der Familie dadurch gerecht?
  • Kann ich das? 
  • Wann ist ein guter Zeitpunkt darüber zu sprechen, die Dinge aufzunehmen und wann ganz zu übernehmen?
  • Wie kann ich mich vorbereiten auf die Rolle bzw. diese erst mal „antesten“?
  • Kann ich bzw. wie könnte ich dem „Erbe“ gerecht werden?
  • Darf ich meinen eigenen Stil finden?
  • Wie kann ich das tun?
  • Wie werde ich im Unternehmen als Neue(r) akzeptiert bzw. anerkannt (weil ich vorher schon dort in anderer Position war und/oder man mich kennt in anderer Rolle)?
  • Und vieles mehr….

Über diese Dinge können viele in der Familie nicht gut sprechen. Dafür braucht es oftmals einen neutralen Dritten/ eine dritte Person von außen, die ein unvoreingenommenes Interesse daran hat, ihren Standpunkt und ihre Anliegen zu hören.

Dadurch kann eines verhindert werden: Dass Menschen sich ggf. unglücklich machen in ihrem Leben, indem sie etwas tun, was sie eigentlich gar nicht wollen.

 

Dadurch kann auch einiges befördert werden: Die eigene Motivation für die Rolle, die Sicherheit und der weitere Erfolg des Unternehmens!

 

Und Sie als ÜbergeberInnen?

Sie haben sicher auch einige Anliegen und Fragen. Neben den Fragestellungen siehe oben sicher im Kern auch diese:

 

  • Möchte ich wirklich, dass mein Kind, Familienmitglied dies tut? 
  • Traue ich es ihm/ihr zu?
  • Wie gestalte ich den gesamten Übergabeprozess, damit alle Beteiligten individuell gut mitgehen können?
  • Wie sehr möchte ich noch Mitspracherecht haben im weiteren Verlauf der Dinge?
  • Wie gestalte ich den Spagat als Begleitender und wann halte ich mich raus?
  • Wie gelingt es mir gut „loszulassen“? Wie gebe ich den anderen Raum?
  • Wie kann ich den neuen Stil der anderen Person gut akzeptieren, ohne dass es zu Konflikten in der Familie führt?
  • Was tue ich mit meiner neu gewonnen Freiheit? 

Und auch an dieser Stelle gibt es sicher noch viele andere Fragen… die Sie nicht so einfach mit Familie und Freuden besprechen können. Die Ihnen selbst möglicherweise auch noch gar nicht so deutlich bewusst sind.

 

Die Dinge sind meist komplexer, als nur mit der betriebswirtschaftlichen „Zahlen-Brille“ erst betrachtet.

 

 

Das psychologische Design von Nachfolgeprozessen

Neben diesen individuellen Fragestellungen „ob überhaupt“, gibt es natürlich eine Menge weiterer Fragestellungen und Betrachtungsweisen dieser speziellen Form von Organisationsentwicklung. 
WIE geht das genau? Wie holt man Menschen gut psychologisch ab?

 

Wenn man auf Übergabeprozesse schaut, dann könnte man grob bestimmte „Phasen“ annehmen:

 

Frühzeitige Gespräche und Sondierung geeigneter KandidatInnen (auch ggf. außerhalb der Familie)

Information und Bestandsaufnahme

Analyse und Strategie

Konzept und Geschäftsplan

Umsetzung und Übertragung

Aufbruch und Startphase

Design der (neuen) Unternehmenskultur und Führung 

 

Zu diesen Phasen gibt es eine Menge zu sagen und vieles zu besprechen.

Wir greifen nur mal exemplarisch jeweils eine Fragestellung, einen Kernaspekt heraus, bei dem die Nachfolge Psychologie sinnvoll und nützlich ist.

 

Frühzeitige Gespräche und Sondierung geeigneter KandidatInnen (auch ggf. außerhalb der Familie)

 

Darüber haben wir bereits oben im Artikel berichtet. Es bringt aus unserer Erfahrung beispielsweise überhaupt nichts, sich durch einen Nachfolge Prozess zu quälen, bei dem – bei frühzeitiger, genauerer Betrachtung – eigentlich klar ist, dass es anders sein müsste/ könnte/ sollte. Weil Kompetenz, Motivation, Vorstellungen und Erwartungshaltungen sowie Arbeits- und Lebensvorstellungen der Beteiligten einfach nicht zueinander passen. 

Wie kann man – sollte man sich gegen die innerfamiliäre Übernahme entscheiden – gut „in Familie“ weiterhin miteinander umgehen?

Oder andersherum: 


Was brauchen alle Beteiligten für einen guten Übernahme- und Arbeitsprozess, ein gutes Miteinander – neben den „Zahlen Themen“? 

 

Information und Bestandsaufnahme

 

Wenn die Entscheidung getroffen ist, schließt sich eine Qualifizierungsphase an bzw. sollte erst einmal bewusst gemacht und gestaltet werden! 

Hier helfen Potentialanalysen und individuell abgestimmte Entwicklungspläne immens, um den Herausforderungen der neuen Rolle gerecht werden zu können.

Da es sich um Führungsrollen handelt, ist eine Selbstreflexionskompetenz und eine Persönlichkeitsentwicklung in der Rolle unerlässlich. Daher sollte damit früh und individuell angemessen begonnen werden. 

 

Wie passe ich mit meiner Persönlichkeit in die Rolle? Wie entwickele ich mich hinein?

 

Analyse und Strategie

 

In dieser Phase sollte klar werden, wie man miteinander vorgehen und arbeiten möchte. Die EntscheiderInnen und die Nachfolgenden gehen miteinander in Workshops „in Klausur“, um folgende Themen zu klären:

-Wo stehen wir gerade?

-Wie wünschen wir uns den gemeinsamen Übernahmeprozess?

-Wann soll was geschehen im Zeitstrahl?

-Wie verhalten wir uns miteinander? 

 

Dies lässt sich hier so locker schreiben, in der Praxis ist dies aber ein oft hoch emotionaler Prozess, in dem schon viele Stolpersteine, Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten an die Oberfläche kommen! Unserer Erfahrung nach sollte diese „emotionale Seite“ nicht einfach nicht besprochen oder „weggedrückt“ werden, denn dies macht im Nachgang sonst häufig Probleme.

 

Ein Beispiel: 
Die Mutter läuft nach der Übernahme durch das Unternehmen und wird von Mitarbeitenden zu Themen X angesprochen. Aus alter Gewohnheit geht sie in die Entscheiderinnen Rolle und sagt: „Mach das mal so und so.“ Dies hört die Nachfolgerin erst im Nachgang und ärgert sich: sie hätte das nämlich anders entschieden, aber die Mitarbeitenden haben bereits (aus alter Gewohnheit des OKs von der alten Chefin) gehandelt.

 

Was wollen wir und wie verhalten wir uns also miteinander?

 

Konzept und Geschäftsplan

 

Neben vielen rechtlichen Themen und der Finanzierungsseite steht hier das konkrete Konzept für die Nachfolgeschritte an. Auch hier hilft es, nicht nur bei „Verhandlungsthemen“, einen versierten Moderierenden zur Unterstützung mit an Bord zu haben, dem die Beteiligten vertrauen, weil er/sie allparteilich ist. Und der immer wieder darauf achtet, dass Emotionen besprochen werden und kein Streit, sondern – über den Gesamtprozess – ein Konsens orientierter Dialog stattfindet. 
Dadurch lernen bzw. achten alle Beteiligten auf eine konstruktive, lösungsorientierte Form des kommunikativen Miteinanders, was auch im Nachgang – gerade wenn es in der Praxis mal schwierig wird – sehr hilfreich ist! 

 

Wie sprechen wir konstruktiv miteinander und was planen wir konkret an Schritten?

 

Umsetzung und Übertragung

 

Hier wird es nun richtig spannend! 
Denn nun müssen alle das vorher Besprochene und Entwickelte zeigen: 
Im Verhalten in ihren neuen Rollen. Sie werden dabei von allen im System Beteiligten beobachtet…


Die Mitarbeitenden und GeschäftspartnerInnen sowie KundInnen fragen sich:

-Wie kommunizieren sie die Übernahme?

-Ist dies stimmig zu dem, wie sie sich real miteinander verhalten?

-An wem orientiere ich mich jetzt?

-Wie fühlt sich die Veränderung an?

-Motiviert mich das Ganze?

-Was verändert sich jetzt weiter…? 

-Kann / will ich mich damit identifizieren? Und wie?

Etc. 

 

Hiervon hängt u.a. der Unternehmenserfolg in Zukunft ab! 

 

Wie kommunizieren wir nach innen und nach außen?

 

Aufbruch und Startphase

Design der (neuen) Unternehmenskultur und Führung 

 

Und hier schließt sich der Kreis zum Beginn, zu den ersten Phasen. Weil hier sollte die Qualifizierung greifen, die zu Beginn angeschoben wurde und wichtiger Bestandteil des Arbeitsprozesses war und noch ist:

 

-Definieren und Einfinden in die neue Rolle

-Bewusstmachung alter und neuer Werte, die gelebt werden sollen 

-Definieren von modernen Führungskompetenzen 

-Neue Kompetenzen entdecken und für das Unternehmen nutzbar machen

-Entwicklung der individuellen Unternehmens- und Führungskultur

 

Wie gestalten wir das Unternehmen weiter?

 

Dies alles baut auf dem individuellen Gesamtprozess auf und ist bereits Teil davon. Da wir systemisch arbeiten, ist alles ein ganzheitlicher Prozess. Es entscheidet sich immer wieder im „Hier und Jetzt“, was gerade wichtig ist und was daher im Fokus der Hauptbetrachtung steht.

Diese flexible, psychologische Arbeitsweise ist deshalb so gewinnbringend, da „Knoten“ im Miteinander immer im Moment des Auftauchens gelöst werden können. Und dadurch, dass wir über einen längeren Zeitraum mit Ihnen an Themen, wie zB der Selbstreflexion und Kommunikation arbeiten, lernen und profitieren alle Beteiligten stetig davon… Das unterstützt dann nicht zuletzt auch alle steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belange!

 

Sprechen Sie uns an. Wir freuen uns mit Ihnen gemeinsam zu denken, beispielsweise bei einem Business Coaching aus Münster