Ein Interview mit Verena Arnhold
Was hat Sie dazu veranlasst diesen bekannten Marken Namen RHETORICA® zu verändern?
Tatsächlich habe ich mich lange Zeit davor gescheut, eben wegen der Bekanntheit und des fast 35-jährigen Bestehens des Weiterbildungsinstitutes. Letztlich assoziieren aber gerade neue KundInnen und PartnerInnen, die mit uns arbeiten möchten, nicht unseren eigentlichen aktuellen Schwerpunkt in diesem Namen.
Und welcher ist das?
Natürlich auch nachwievor die Kommunikation. Denn darin sind wir Profis.
Allerdings haben sich unsere Formate schon seit über 10 Jahren von individuell gestalteten Kommunikationsseminaren, Vortrags- und Stimmcoachings in primär systemische Führungscoachings und Teamcoachings gewandelt.
Wir sind jetzt sozusagen voll drin in systemischer Organisationsentwicklung. Wenn ich da nun draufschaue, bin ich selbst erstaunt!
Oh das scheint wirklich ein Unterschied. Wie kam es genau zu diesem Schritt?
Es war weniger nur ein Schritt, sondern eine längere und natürliche Entwicklung…
da wir uns immer schon für wissenschaftlich fundierte Individualpsychologie interessiert und genau so gearbeitet haben. Wir haben uns nie mit Schema F und Typologisierungen aufgehalten, sondern geschaut, wie die Menschen sich selbst und ihre Umgebung unterschiedlich sehen! Und was sie verändern können, um auch bei Schwierigkeiten erfolgreich zu werden – und dabei in aller Verantwortung bei sich selbst anzufangen, jeder in seiner eigenen Art und Weise…
Das klingt nicht nach der klassischen „Beraterhaltung“…
Genau! Und als ich dann nach einigen spannenden Zertifizierungen im Bereich der modernen Persönlichkeitspsychologie und Kompetenz Beratung noch meine 3,5 jährige Coaching Ausbildung machte, da hatte ich endgültig meine Heimat gefunden.
Im systemischen Ansatz!
Sie freuen sich offensichtlich sehr darüber, das strahlen Sie aus.
Was macht diesen Ansatz im Kern für Sie aus?
Im Kern:
Dass Menschen und Systeme wirklich ehrlich miteinander sind, sich wirklich trauen in Eigenverantwortung für sich und in einen echten Dialog miteinander zu gehen.
Können Sie konkrete Beispiele bringen, was das genau heißt?
Kann ich.
Ich habe es selbst in meiner Ausbildung erlebt – und dafür reicht übrigens kein Wochenendseminar zum Thema „Systemik“, um eine veränderte Haltung zu bekommen…
Es bedeutet die wirklich gewollte Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und Rolle, immer und immer wieder. Ich musste in der Ausbildung zB sehr hart erlernen NICHT immer in Verantwortung für andere zu gehen. Man neigt – gerade als Dozentin – sehr leicht dazu Ideen vorzugeben. In die Bresche zu springen, wenn ein Team nichts Eigenes produziert, feststeckt, lange Pausen entstehen… Da will man oft helfen, oder man hält die Stille, den Konflikt nicht selbst aus – oder man fühlt sich ggf auch verpflichtet „das Geld als Coach wert zu sein“, indem mal jetzt dann abliefert.
Das ist als systemischer Coach eine komplett andere Rolle.
Was ich hart gelernt habe ist, mich rauszuhalten inhaltlich, nur gute Fragen zu stellen, für das Team/die Menschen „Rahmen gebend“ dazu sein. Andere Blickwinkel anzubieten. Was die Menschen daraus machen, ist allein ihre Verantwortung. Ich spiele den Ball immer und immer wieder zurück. So lernen die Klienten im Arbeitsprozess stetig in Eigenverantwortung zu gehen. Und dann, dann passiert das „kleine Wunder“: die eigenen Kräfte und das Engagement werden aktiviert!
Die Menschen schaffen es allein für sich und viel besser als mit fremden Ideen!
Das kann ich mir vorstellen, man spricht da glaub ich von „Selbstwirksamkeit“, aus der heraus man viel mehr motiviert ist, als wenn man alles vorgekaut und vorgeschrieben bekommt…
So ist es. Und das ist immer wieder total schön real zu erleben! Diese Energie, die frei wird! Zum Beispiel in echter Aussprache miteinander, kreativen Ideen, einer ersten Hoffnung auf eine andere Form der Veränderung…
Leider ist das Thema Eigenverantwortung unserer Ansicht nach aber auch wirklich der Knackpunkt:
Ganz viele Menschen sind es leider gewohnt, die Dinge mehr oder minder vorgeschrieben zu bekommen und kontrolliert zu werden. Wir hören immer wieder: „Euer Ansatz, ohne Konzept reinzugehen, ist so ungewöhnlich, und es entsteht dann so viel Gutes.“
Ihr arbeitet gänzlich „ohne Konzept“?
Na klar, das ist ja auch logisch!
Denn unser erster Workshop ist die sogenannte Auftragsklärung mit den Entscheidern, dem Team: Wir finden erst einmal heraus, worauf sich die Klienten, das Team einigen möchte, woran es wirklich wichtig ist zu arbeiten. Und das braucht oft ein paar Runden.
Dabei ist die Meinung des Auftraggebers, zB der Geschäftsführenden genauso viel Wert, wie die Meinung der anderen Menschen in ausgewählten Teams.
Das was wir dabei als sehr gut ausgebildete Coaches können sollten, ist einen Raum zu schaffen, in dem Menschen anfangen sich zu öffnen, sich trauen ehrlich und konstruktiv miteinander zu reden und für sich einzutreten. Echt zu sein. Wo zB auch Ratlosigkeit sein darf, echte Emotionen, natürlich auch negative, weil sie auf vieles aufmerksam machen … Meine Erfahrung ist, dass -wenn man diese Prozesse einfach nur gut moderiert- die Gruppe es allein schafft eine neue/ andere Arbeitsbasis aufzubauen, um dann gemeinsam miteinander zu gestalten.
Und das braucht oft gar nicht so lang bis man dort ist. Mit guter Begleitung und dem ausgleichenden, frischen Blick „von Außen“.
Der Schlüssel ist dabei immer die grundsätzliche Bereitschaft für so einen Arbeitsprozess. Und wir merken sehr schnell, welche potentiellen Auftraggebende dazu bereit sind und welche auch nicht. Mit denen, die in Wahrheit nicht wollen, arbeiten wir dann nicht. Das bringt dann nichts mit diesem Ansatz. Da ist dann ggf. eine Beraterhaltung effektiver. Diese setzt oft leider eben nicht bei der Selbstreflexion des eigenen Verhaltens an.
Sie sagen auch Nein zu Aufträgen?
Ja. Mittlerweile kann und will ich mir das erlauben. Und tue es auch sehr konsequent.
Alles andere macht auch gar keinen Sinn.
Der systemische Ansatz ist ein Haltungsansatz, keine Methode. Umso mehr sollten die KlientInnen das wirklich von ihrer Einstellung her wollen. An sich auch wirklich arbeiten wollen. Sich an die eigene Nase fassen: vor allem die Geschäftsführenden.
Und genau da setzen wir auch an!
„Der Fisch stinkt vom Kopf“ ist oft bittere Realität. Daher ist die Selbstreflexion und die echte Auseinandersetzung notwendig. Und um es mal provokant zu sagen: häufig werden lieber „Pflästerchen geklebt“. Es wird nicht systemisch gedacht, sondern in Silos: machen Sie mal das Team wieder fit – und dann wird das schon! So eine Haltung unterstützen wir nicht. Wir sind keine „wieder fit Macher“ sondern Impulsgeber für Menschen und Teams, an deren EIGENE Lösungskompetenz wir zutiefst glauben. Weil jeder Mensch mit seinen Potentialen wertvoll ist!
Das klingt nach einer starken Wertebasis.
Als letzte Frage:
Was sind die 5 wichtigsten Bestandteile des Systemischen Ansatzes bzw. Ihres Unternehmens „die Systemiker“?
-Hoch qualifizierte Coaches und langjährige Ausbildungen
-Stetige Auseinandersetzung mit sich selbst und modernen Arbeitsansätzen
-Intuition und Leidenschaft für die Arbeit
-Mut, zB zur Ehrlichkeit und Eigenverantwortung
-Hohes Interesse an Individualität und nicht zuletzt:
Menschenliebe
Vielen Dank, Frau Arnhold, für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!